Bücherlesen und Spaß haben

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Der Verlag Guthmann-Peterson.

Es müsse der „Fantasie eines Witzboldes“ entsprungen sein, „dass Bibliotheken in der Verordnung als Orte der Unterhaltung, der Erholung und Belustigung angeführt werden“, meinte die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, am 15. November 2020 zur neuen Corona-Verordnung. Die neue „Notmaßnahmenverordnung“ zählt „Archive, Bibliotheken und Büchereien“ (sowie Theater und Museen) ebenso unter die Freizeiteinrichtungen wie etwa „Schaustellerbetriebe, Freizeit- und Vergnügungsparks“, „Paintballanlagen“ sowie „Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution“.
Dass Frauen aus gebildeten und sich selbst als aufgeklärt-fortschrittlich definierenden Schichten oft gegen die Ausübung des angeblich ältesten Gewerbes der Welt durch andere Frauen auftreten, ist in letzter Zeit immer wieder zu beobachten. Leider führt das, wie konkrete Beispiele zeigen, auch dazu, dass diese Sexarbeiterinnen zunehmend in die Illegalität und in die Hände zumeist männlicher Ausbeuter getrieben werden. Das ist das eine.
Das andere ist, dass in dieser Empörung völlig untergeht, dass die Corona-Bestimmungen nicht zuerst in einem parlamentarischen Diskussionsprozess erörtert und dann beschlossen wurden. Daran stößt sich, zumindest in Deutschland, Heribert Prantl, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und Jurist.
(https://www.sueddeutsche.de/autoren/heribert-prantl-1.1148378)
Was mich und uns im Verlag, als Büchermenschen, aber am meisten interessiert, ist die Frage, warum es eigentlich schlecht sein soll, „dass Bibliotheken in der Verordnung als Orte der Unterhaltung, der Erholung und Belustigung angeführt werden“ und dass Bibliotheken und ihre Lesesäle immer nur „Orte des Studiums, des Forschens und konzentrierten Lernens“ (Johanna Rachinger) sein sollen.
Warum soll Lesen und Lernen, auch konzentriertes, keinen Spaß machen? Warum soll der Erwerb von Wissen keine Freude machen und mir zeigen, dass ich auf der Welt bin und in der Welt wachsen kann? Darüber und weil sie zahlreiche wunderbare Kinder- und Jugendbücher geschrieben hat, hat sich – nicht zuletzt, – schon Christine Nöstlinger geärgert. Lesen soll Freude machen, die Welt erkennen helfen, das Spiel mit der Sprache und damit das unabhängige Denken, Fühlen und Handeln fördern.
Zu unserer großen Freude haben zahlreiche Wienerinnen und Wiener, kleine und große, am Montag, den 16. November 2020, dem letzten Tag vor dem erneuten Lockdown, gezeigt, wie sehr sie ihre Bibliotheken schätzen, wie sehr sie Bücher, Zeitschriften und Filme lieben, wie gerne sie lesen. Die Schlange der Wartenden war – zumindest in unserer Zweigstelle – lang und erwartungsvoll.
Wenn wir uns später also wieder einmal vergnügen wollen und mit der Grottenbahn fahren, dann nehmen wir auf jeden Fall auch ein Buch mit. Oft sind die Drachen Ovids oder Isaac Asimovs viel lustiger als die gebastelten Figuren der Schaubuden. Wie schon J. R. R. Tolkien meinte: man kann nicht genug gute Drachen haben.
Das finden Ihre Büchermenschen und wünschen Ihnen natürlich auch viele Bücher.

Zur Pressemeldung des ORF: https://wien.orf.at/stories/3076037/