Rezension „Atmen“

 

Es gibt sie noch, die anspruchsvollen Bücher … K49814 „Atmen ohne Pause“

Es gibt Bildbände und es gibt Fotobücher. Bildbände sind meistens großformatige Bücher mit Hochglanzfotografien aus den Bereichen der Aktfotografie, Kunst oder Architektur sowie Küche und Kochen. Diese werden auch als Coffeetable-Books bezeichnet, weil sie gerne auf Couchtischen liegen und zur oberflächlichen Unterhaltung bei Kaffee und Kuchen dienen. Fotobücher dagegen kommen meistens in kleineren Formaten, sind inhaltlich anspruchsvoll und setzen die Betrachterin und den Betrachter mit Ihren Fotos auf engagierte Art und Weise Themen aus, die ihnen womöglich gar nicht so lieb sind.

So ist es auch mit dem Fotobuch „Atmen ohne Pause“ aus dem Verlag Kehrer. Die Künstlerin, die unter dem Pseudonym K49814 arbeitet, fotografiert nicht die Tiere an sich, sondern das, was für eine gewisse Zeit im Raum stehen bleibt, das, was zu fühlen ist, wenn wir nur genau hinschauen, und uns hineinspüren: Den Atem der Tiere.

Die Umgebung der Tiere, die Gegenstände um sie herum, der Raum, in dem sie sich aufgehalten und gelebt haben ist das, was wir auf diesen Bildern sehen und das, was von ihnen bleibt. Es sind keine klaren Bilder, weil der Hauch eines Tieres auch kein klar umrissener Gegenstand der Fotografie sein kann. Wir selbst sehen unseren eigenen Atem auch nur umrisshaft, wenn wir des Winters draußen an der kalten Winterluft sind.

Thematisch reicht der Band vom Atem einer Kuh über das Ohr eines Tiers im Mondlicht, das seine Marke verloren hat, bis hin zu den Ohrmarken der getöteten Tiere selbst, 11.000 an einem Tag. Zur Erinnerung: Allein in Deutschland werden neben einer unglaublichen Zahl von Tieren in einer Woche allein 1 Million Schweine getötet. Beim größten Schlachtbetrieb in Deutschland allein 20149 Tiere täglich.

Beim Atem der Tiere geht es der Fotografin also nicht nur um das Atmen sondern auch um den letzten Atemzug der Tiere, den sie für uns gezwungen sind zu tun, weil sie für den Fleischkonsum von Menschen geschlachtet werden. Sichtbar wird, dass es für ein Tier, dem die Tötung bevorsteht, keinen prinzipiellen Unterschied macht, ob es industriell oder handwerklich-rustikal getötet wird. Die Tötung in vertrauter Umgebung mag für das Tier stressfreier sein als das Ersticken im Kohlenmonoxyd-Bad der industriellen Schlachtereien, humaner ist es aber nicht. Auf anschauliche Weise werden Argumente wie „Ich esse doch nur ganz wenig Fleisch und auch nur von Tieren aus artgerechter Haltung“ entkräftigt, indem die Bilder mit ihren angedeuteten, schauderhaften Strukturen jegliche Form von Unbarmherzigkeit gegenüber Tieren aufzeigen.

Die Fotos von K49814 zeigen auf nachdenkliche, stille und berührende Art, dass nur das Leben und somit der Atem zählt.

Das Buch „Atem ohne Pause“ wird also kaum der seichten Unterhaltung beim Kaffeekränzchen dienen.. Aber es erinnert uns daran, dass wir, im Gegensatz zu unseren Hauskatzen, die nach den bislang vorliegenden Forschungen als Carnivoren keine Möglichkeit haben, auf tierliches Futter zu verzichten, die Wahl haben, was wir essen und was nicht.

Dem Verlag sei zusätzlich dazu gratuliert, dass gerade ein anderer Titel seines Programms als eines der schönsten Bücher Österreichs ausgezeichnet wurde. Es gibt sie also trotz Internet und E-Books noch: die anspruchsvollen, bewegenden und beeindruckenden „echten“ Bücher.

K49814 und Ziche, Paul, Atmen ohne Pause, Kehrer Verlag, Heidelberg, Berlin, 2014.

ISBN 978-3-86828-576-5

Euro 34,90

http://www.artbooksheidelberg.com/html/detail/de/k49814-978-3-86828-576-5.html