Dass Sprache und gesellschaftliche Verhältnisse viel miteinander zu tun haben, lernen wir schon in der Schule, und viele Verlage überlegen sich seit Längerem, und auch aus guten Gründen, einzelne nicht mehr zeitgemäße Namen und Begriffe aus Schul- und Kinderbüchern zu entfernen oder sie zu ändern. Da wären z. B. die kleinen Negerlein oder die Chinesenmädchen oder die Türken in den Büchern von Otfried Preußler. Ganz zu schweigen von den uns heute durchaus heftig anmutenden Begriffen und Namen in den Werken von Astrid Lindgren. Ja, die Ronja hatte es damals schon drauf.
Kommen wir auf die Negerlein zurück. Heute sind es nicht die Negerlein, die uns angeblich überfluten, es wogt vielmehr die Flüchtlingswelle, Wirtschaftsflüchtlinge bedrohen unsere Gesellschaft, die männlichen Asylanten haben männliche Bedürfnisse. Ja, da merkt man, was unsere Sprache so hergibt.
Dabei ist es sprachwissenschaftlich ganz einfach: Mit eindeutigen Begriffen und Namen sollen Zusammenhänge kurz und verständlich dargestellt werden. Dabei transportieren sie bei entsprechender Semantik genau die Konnotation, die gewünscht wird. Damit wir uns vor Hilfesuchenden fürchten, wo sich doch hauptsächlich die Politikerinnen und Politiker fürchten. Damit wir Terroropfer ablehnen, wo doch nur die Vertreterinnen und Vertreter bestimmter Interessensgruppen es ablehnen, sich mit den Ursachen von Armut, Not, Elend und Vertreibung in den Ländern auseinanderzusetzen, aus denen die Väter, Brüder und Onkel sich zu uns durchkämpfen und bei uns um Hilfe anklopfen.
Ich werde auch das Gefühl nicht los, dass das fremdenfeindliche Vokabular den alten antisemitischen Metaphern nicht gerade unähnlich ist.
Und ganz dramatisch werden Begriffe wie Naturgewalten, die über uns hereinbrechen, und militärische Metaphern bemüht. Man könnte sich deshalb ohne „Zugangsbeschränkungen“, „Durchgriffsrechte“ und „Erstaufnahmelager“ überhaupt nicht gegen diese rat- und hilfesuchenden Menschen wehren. Und schließlich tut man noch so, als würde man „richtige Kriegsopfer“ aus Syrien gerne willkommen heißen, aber natürlich keine „Wirtschaftsflüchtlinge“, die – wie das Wort schon sagt – doch nur etwas von unserem Wohlstand abhaben wollen. Auf gut Wienerisch: mitschneiden wollen.
Aber als Verlag mit hauseigenem Lektorat wollen wir jetzt einen Versuch wagen und die beleidigende, abwertende Sprache zurückändern. Ein Versuch, und selbstverständlich sind Sie eingeladen, dabei mitzumachen!
Flüchtlingsheim = Gästehaus
Aufnahmelager = Willkommensstation
Illegale = Durchreisende
Asylanten = Hilfesuchende, Schutzsuchende
Exilant = Terroropfer, Kriegsopfer
Ansturm = Aufkommen, Ankommen
Erstaufnahmelager = Hilfezentrum
Fremde = Neuankömmlinge
nicht begleitete Minderjährige = alleinlebende Kinder
Notschlafstelle = Ruhezentrum
Bootflüchtlinge = Seenotopfer
Integration = Einbeziehung
Flüchtlingsberater = Hilfebietender, Aufnahmecoach
und so weiter und so fort. Gut es holpert noch, aber einen Versuch ist es allemal wert.
Einige Links zum Weiterlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltfreie_Kommunikation
http://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/431.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Alltagsrassismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Xenophobie
http://www.bpb.de/apuz/27568/ursachen-fremdenfeindlicher-einstellungen-in-westeuropa?p=all
https://en.wikipedia.org/wiki/Ruth_Wodak
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschlechtergerechte_Sprache